Die Europäische Kommission startete am 28. Februar 2011 eine Konsultation zu ihrer Europa 2020-Projektanleihen-Initiative. Der VÖWG hat jetzt über den Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) seine Positionen eingebracht. Der Verband begrüßt das Vorhaben von Kommission und EIB, dem Rückgang von Infrastrukturinvestitionen im Gefolge der Finanzkrise durch verstärkte Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor entgegenzuwirken. Er sieht jedoch in der vorgeschlagenen Konstruktion nicht unbeträchtliche Risiken.
Für große Infrastrukturvorhaben (ab 200 Mio. EUR) ergeben sich zunehmend Finanzierungsengpässe: Öffentliche Haushalte sind unter großem Konsolidierungsdruck, während private Investoren vor der Kombination von hohen Investitionskosten und beträchtlichen Einnahmerisiken (vor allem in frühen Betriebsphasen) bzw. tendenziell nur langfristigen Ertragsmöglichkeiten zurückschrecken. Die Kommission schätzt den Bedarf bis 2020 – allein für den Umbau der Netzinfrastrukturen – auf nicht weniger als zwei Bio. (also 2.000 Mrd.) EUR (davon Energie: ca. 1,1 Bio. EUR, Verkehr: 0,5 Bio. EUR, IKT: 0,3 Bio. EUR). Konkret sollen in den Bereichen Verkehr, Energie und IKT große Infrastrukturprojekte, die „kommerzielles Potenzial“ haben, privat finanziert werden, wobei die öffentliche Hand bis zu 20 Prozent des finanziellen Risikos übernimmt.
Als Vorbild dient das Kreditgarantieinstrument der EIB für TEN-Verkehrsprojekte – LGTT (Europa 2020-Projektanleihen sind also nicht mit den in Zusammenhang mit der Schuldenkrise diskutierten Eurobonds zu verwechseln). Private würden demnach eine Kombination von Eigenkapital, Anleihen und klassischen Bankkrediten aufbringen. Die öffentliche Hand würde im Wege nachrangiger Darlehen oder von Schuldendienstgarantien das Ausfallsrisiko für einen Teil der Anleihen übernehmen, wodurch diese ein besseres Rating erhalten würden. Dies hätte den doppelten Vorteil einer Verminderung der anzubietenden Zinsen sowie einer Erschließung zusätzlicher privater Investorengruppen, v.a. von Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds. Dieser Idee steht allerdings die Einschätzung der Ratingagentur Fitch entgegen. Sie bewertet das Modell per se zwar positiv, hält aber ein Toprating derzeit nicht für wahrscheinlich (BBB).
Bislang wurden Infrastrukturvorhaben größtenteils durch die öffentliche Hand finanziert. Eine verstärkte Einbeziehung des privaten Sektors würde im Idealfall die öffentlichen Haushalte wesentlich entlasten. Umgekehrt besteht jedoch das Risiko einer Privatisierung der Gewinne und einer Vergesellschaftung der Verluste. Auf das Gleichgewicht von Chancen und Risken zwischen öffentlichem und privatem Sektor muss daher besonders geachtet werden. Des Weiteren zieht die vorgeschlagene Konstruktion folgende Bedenken der Verbände der öffentlichen Wirtschaft Europas nach sich:
1) Besonders im Energiebereich betrachtet CEEP die Erfolgsaussichten äußerst skeptisch. Denn dort sind Investitionskosten und Wirtschaftlichkeit auf lange Sicht noch weniger kalkulierbar (vgl. SmartGrids etc.) als im Transportsektor oder etwa im Falle von Breitbandinfrastrukturen.
2) Aus österreichischer Perspektive sieht der VÖWG die Gefahr, dass sich das Modell auch zu Lasten kleiner, nachhaltigerer Projekte auswirken könnte.
3) Aufgrund der Vagheit des Kommissionsvorschlags, was Monitoring, Controlling und Bewertung betrifft, ist zu befürchten, dass sich einzelne Projekte letztlich als finanziell nicht tragfähig oder nicht im Einklang mit den Klimazielen der EU stehend erweisen könnten. Diesen Aufgaben kommt daher besondere Bedeutung zu. Sie sollten von der EIB ausgeübt werden.
4) Schließlich besteht das Risiko, dass die starke Betonung des kommerziellen Elementes zu einer Verschlechterung des Angebots der entsprechenden Dienstleistungen führt. Es wären daher entsprechende vertragliche Regelungen vorzusehen, um dies auszuschließen.