Am 05. März lud die Europäische Kommission zur Konferenz über einen Neustart des Europäischen Sozialen Dialogs (SD) ein. Die hochrangige Veranstaltung wurde durch eine Ansprache von Valdis Dombrovskis, den zuständigen Kommissar für Euro und Sozialen Dialog eröffnet.
Dombrovskis bekannte sich deutlich zum Sozialen Dialog und dessen Möglichkeit die politischen Entscheidungen besser an die betroffenen EU-BürgerInnen abzustimmen. Immerhin werden durch die 43 sektoralen Sozialen Dialoge als auch durch den sektorübergreifenden SD etwa 75% der Sektoren abgedeckt. Jedoch hob Dombrovskis hervor, dass weder die nationalen noch der EU-weite Soziale Dialog das volle Potential ausschöpft.
Im Gleichklang äußerte sich ebenfalls der Vertreter der lettischen Ratspräsidentschaft Uldis Augulis und betonte die Bedeutung des SD. Augulis hob zudem die Wichtigkeit des SD für die Erreichung bereits formulierter Ziele (Europa 2020) als auch für neue Herausforderungen wie den demographischen Wandel als auch Migration usw. hervor. Der Neustart des SD sei durch die Wirtschaftskrise notwendig geworden. Das sensible Gleichgewicht zwischen ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebern sei aufgrund der Wirtschaftslage gestört worden. In Zukunft sollen die Sozialpartner stärker angehört werden und so zu einer „besseren“ Gesetzgebung beitragen.
Eine sehr emotionale Ansprache richtete der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz an das Publikum und rief unter anderem zu mehr Solidarität mit den Krisenländern, aber vor allem mit der „jungen“ Generation auf. „Man stellt 700 Mrd. Euro für die Rettung der Banken und des Währungssystems zur Verfügung, aber nur 6 Mrd. für Beschäftigungsmaßnahmen.“
Die Schicksale der Mitgliedstaaten seien alle miteinander verbunden und auftretende Probleme sind immer in der ganzen Union spürbar. Deshalb müsse es auch die Lösung stets eine europäische sein. Damit die aktuellen Probleme der EU gelöst werden, brauche es einen starken und gut funktionierenden Sozialen Dialog auf nationaler- sowie auf europäischer Ebene. Erstere sollten in die nationalen Gesetzgebungen einbezogen werden, letztere in die EU-Wirtschaftspolitik. Durch die Stärkung des SD würden alle BürgerInnen profitieren, so Schulz weiter.
Ebenfalls beinahe einstimmig äußerten sich CEEP Präsident Joachim Reck und Markus Breyer von Business Europe. Beide traten für eine Stärkung des SD und einem europäischen Austausch von best- Practice-Beispielen ein. Man müsse den SD an die „neuen“ Ziele anpassen, diese hätten sich im Laufe der Zeit verändert. Zudem müsse der SD an der Erhebung der Ursache für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union mitwirken und wieder auf Vordermann bringen. Einen Schritt weiter ging Breyer dann jedoch im Alleingang mit der Feststellung, dass es genügend Regelwerk zum (sozialen) Schutz der ArbeitnehmerInnen gebe, diese sollten im Rahmen der REFIT Initiative abgebaut werden um wettbewerbsfähiger zu werden. Dem Widersprach jedoch auch später die zuständige Kommissarin für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten Marianne Thyssen welche unter „better regulations“ nicht zwangsläufig weniger Regelwerk versteht.
Unisono sprachen sich die beiden Arbeitgebervertreter wieder für das Juncker Investitionspaket aus, betonten jedoch, dass es nur einen Anfang für eine erfolgreiche Investitionsoffensive darstellen kann.
Kämpferisch gab sich die Gewerkschafterin (ETUC) Bernadette Ségol. Sie erteilte dem Vorstoß von Breyer im Hinblick auf Abbau von sozial- Schutz Maßnahmen naturgemäß eine Absage. Sie setzte sich – wie viele andere auch – für eine Vereinfach der Gesetzgebung ein. Das wichtigste Anliegen von Ségol war jedoch, dass Übereinkünfte der Sozialpartner automatisch, falls die Umsetzung nicht erfolgt, als Richtlinien durch die Europäische Kommission vorgeschlagen werden. Die autonomen Umsetzungen der Übereinkünfte erwiesen sich aufgrund ihres unverbindlichen Charakters als nicht ausreichend so die Gewerkschafterin. Ebenfalls forderte sie von der Europäischen Kommission ein, den Sozialpartnerkonsultationen mehr Gewicht zu verleihen. Diese würden zwar eingeholt aber dann zu wenig berücksichtigt.
In den anschließenden Workshops zur „makroökonomischen Strategie“ sowie zum Thema „Better Regulations“ fand danach ein reger und durchaus kontroversieller Meinungsaustausch statt.
Makroökonomische Strategie
Trotz durchaus konträrer Positionen war man sich auch in wesentlichen Punkten einig. So wurde die Beendigung der Sparpolitik als auch die Forderung nach einer neuen „goldenen Regel“ für Investitionen von mehreren Seiten geäußert. In diesem Sinne wurde auch das Juncker Investitionspaket begrüßt, wenngleich auch die tatsächliche Wirksamkeit vor allem in Hinblick auf die starke Hebelung der Investitionen kritisch hinterfragt wurde. Kritik wurde ebenfalls bei der Auswahl der Investitionsprojekte laut. Die Sozialpartner seien hier nicht einbezogen worden. Aber auch eine mögliche zusätzliche Spaltung zwischen den Mitgliedstaaten wurde ins Feld geführt. So wird befürchtet, dass wirtschaftlich schwächere Mitgliedstaaten nur schwer oder überhaupt nicht – als Ergebnis von mangelnder Finanzierung aber auch Expertise – an den Investitionsprojekten partizipieren werden können.
Better Regulations
Eingangs erklärte Kommissarin Thyssen, dass die Europäische Kommission plane die Sozialpartner vermehrt in die wichtigsten auch nicht sozialen Themen integrieren zu wollen. Hierzu gehören unter anderem auch Themen wie die Europäische Energie Union. Zudem schickte sie den DiskutantInnen voraus, dass es oft an den nationalen Umsetzungen von Richtlinien liegt, dass diese zu kompliziert gestalten seien.
Bei den DiskutantInnen zeigten sich durchaus verschiedene Vorstellungen von „besserer Gesetzgebung“. Diese reichten von einer stärkeren Einbeziehung des Sozialen Dialogs über Forderungen zur Entschlackung der Gesetzgebung hin bis zur Deregulierung von manchen Bereichen. José María Lacasa Aso, spanischer Arbeitgebervertreter führte zur Illustration ins Feld, dass es derzeit 22.300 gültige Gesetze gibt und davon rund 700 allein für die Bereiche Soziales sowie Personenfreizügigkeit. Einigkeit schien jedoch zumindest darin zu bestehen, dass „schlechte“ Gesetzgebung störend in vielerlei Hinsicht wirkt. Der Forderung nach Deregulierung erteilte Thyssen jedoch eine deutliche Absage.
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Bild: DG Employment