Die Europäischen Gesetzgeber versuchen seit dem Jahr 2000, Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr verstärkt zu bekämpfen. Da das öffentliche Auftragswesen in Europa ein Volumen von beinahe zwei Bio. Euro im Jahr erreicht hat, beeinflussen Zahlungsverzugsbestimmungen den wirtschaftlichen Alltag tausender Marktteilnehmer in erheblichem Maße. Das Europäische Parlament hat nun am 20. Oktober 2010 in Straßburg mit der Annahme der neugefassten Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr den nächsten Schritt gesetzt.
Bereits im April 2009 hatte die Europäische Kommission einen Entwurf präsentiert. Dieser wäre jedoch mit klaren Benachteiligungen öffentlicher Stellen und Unternehmen verbunden gewesen: Beispielsweise schlug die Kommission vor, dass ausschließlich öffentliche Einrichtungen ihre Rechnungen innerhalb von 30 Tagen bezahlen müssen. Andernfalls drohte neben Verzugszinsen eine fünfprozentige ex lege-Pönale ab Fristüberschreitung. Ausnahmen waren bloß in begründeten Fällen vorgesehen. Dazu fehlte eine Deckelung der Betreibungskosten.
Glücklicherweise führte eine entschlossene Interessensvertretung zu einer maßgeblichen Anpassung des Kommissionsvorschlags. Parlament und Rat der Europäischen Union erzielten einen Kompromiss, der die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen (KMUs) sicherstellt, indem er die Verluste infolge von Zahlungsverzug von geschätzten 25 Mrd. Euro jährlich verringert. Gleichzeitig wird eine Schlechterstellung der öffentlichen Wirtschaft verhindert.
Die neue Zahlungsverzugsrichtlinie sieht eine generelle Zahlungsfrist von 30 Tagen für öffentliche und private Unternehmen vor. Öffentliche Stellen haben in Ausnahmefällen weiterhin die Möglichkeit, eine Fristerstreckung zu vereinbaren. So sind etwa besondere Vereinbarungen für den Gesundheitsbereich bis zu 60 Tagen möglich. Ferner können Gläubiger Betreibungskosten mit einem Fixbetrag von 40 Euro einheitlich geltend machen. Auf eine ex lege-Pönale ab Fristüberschreitung wurde gänzlich verzichtet.
Europäisches Parlament und Rat der EU haben eine Mindestharmonisierung beschlossen. Infolgedessen ist die Umsetzung der neuen Richtlinie in innerstaatliches Recht als letzte legislative Etappe von immenser Bedeutung. Während der kommenden zwei Jahre ist darauf zu achten, dass das auf europäischer Ebene nun festgeschriebene Gleichbehandlungsprinzip gewahrt bleibt.