Die Europäische Kommission hat am 29. Juni 2011 in Form einer Mitteilung einen mehrjährigen EU-Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2014 bis 2020 vorgeschlagen. Sie plant, das EU-Budget mit der Strategie Europa 2020 besser abzustimmen. Der Vorschlag sieht Mittelumschichtungen weg von der Gemeinsamen Agrarpolitik – deren Anteil sinkt auf 36,2 Prozent ab – hin zu Forschung, Bildung und Vernetzung Europas vor. Im Idealfall fließen mindestens 20 Prozent der Gelder in den Klimaschutz. Ein gemeinsamer strategischer Rahmen für die Kohäsionspolitik in der EU (Strukturfonds inkl. LEADER, Fischereifonds) soll dabei helfen, die übergeordneten Zielsetzungen zu erreichen.
Angesichts von Schuldenkrise, demographischem Wandel, Energiewende und Globalisierung sieht die Kommission 1.025 Mrd. EUR (1,05 Prozent/BNP) an Verpflichtungsermächtigungen und 972 Mrd. EUR (1 Prozent/BNP) an Zahlungsermächtigungen (in 2011-Preisen) vor. Gemessen am Bruttonationalprodukt Europas weist das Budget seit 1993 eine rückläufige Tendenz auf. Die Bereiche Forschung und Innovation (+46 Prozent: 80 Mrd. EUR), Energie- Transport- und Telekommunikationsnetze (+287 Prozent: 50 Mrd. EUR), Bildung und Kultur (+68 Prozent: 15,2 Mrd. EUR), Sicherheit und Unionsbürgerschaft (+62 Prozent: 18,5 Mrd. EUR) und globales Europa (+19 Prozent: 70 Mrd. EUR) profitieren von der neuen Schwerpunktsetzung am meisten.
Der VÖWG befürwortet die Fokussierung auf politische Prioritäten. Die Zusammenführung von Forschungsrahmenprogramm (FP), Programm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) sowie Europäischem Innovations- und Technologieinstitut (EIT) unter Horizon2020 macht Sinn, wenn die Kommission das System nach 2020 nicht wieder völlig verändert. Die öffentliche Wirtschaft steht Finanzierungsinstrumenten wie „Europa vernetzen“ jedoch skeptischer gegenüber, kann es sich doch nur um ein Teilfinanzierungsmodell handeln. Somit bleibt abzuwarten, ob das Gros der notwendigen Investitionen in europäische Netzinfrastrukturen (Energie, Verkehr, IKT) in Höhe von zwei Bio. EUR bis 2020 von Mitgliedstaaten oder Privatinvestoren via EU-Projektbonds oder Sonderfazilitäten gestemmt wird. Denn Klimaschutz in großem Stil verlangt einen breiten politischen Konsens und die gleichmäßige Verteilung von Risiken zwischen öffentlichem und privatem Sektor – insbesondere in der Frühphase bis 2030.
Neue Einnahmequellen wie eine Finanztransaktionssteuer oder ein modernisiertes Mehrwertsteuerabgabesystem sollen die Nettozahlerdebatte beenden, indem sie es erlauben, die BNP-basierenden Eigenmittelanteile der Mitgliedstaaten langfristig von 85 auf 40 Prozent der EU-Haushaltseinnahmen zurückzufahren. Die Kommission plant des Weiteren Einsparungen im Verwaltungsbereich. Auch soll das Prinzip der „doppelten Konditionalität“ eine noch effizientere Mittelverwendung sicherstellen. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass solche Ansätze nicht unbedingt zur Vereinfachung der Antragstellung für Projektgelder führen.
Der Entwurf ist jedenfalls als Obergrenze zu interpretieren. In den kommenden Monaten lassen die jeweils zuständigen Kommissare präzise Detailvorschläge für ihre Politikbereiche folgen. Auf dieser Basis beginnen dann die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten bzw. dem Rat der Europäischen Union. Nach Zustimmung des Europäischen Parlaments beschließt der Rat den MFR per Verordnung einstimmig.