Potentielle Risiken für öffentliche Dienstleistungen in TTIP und TISA

Die tatsächlichen Auswirkungen von TTIP und TISA auf Wasserversorgungsverbände bzw. generell auf die Erbringung, Finanzierung und Organisation von öffentlichen Dienstleistungen hängen von den konkreten Verpflichtungen in den Abkommen ab. Der entscheidende Bereich wird jener über die Liberalisierung von Dienstleistungshandel und Investitionen sein. Die wichtigsten diesbezüglichen Verpflichtungen sind dabei jene zur Inländergleichbehandlung sowie zum Marktzugang, wobei erstere im Bereich der Investitionen teilweise im Zuge eines Verfahrens nach der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit (ISDS) durchgesetzt werden kann. Aufbau und Struktur der einzelnen Liberalisierungsverpflichtungen sind dafür ausschlaggebend, ob und auf welche Weise die Verpflichtungen für bestimmte Sektoren Geltung entfalten.

Der Grundsatz der Inländergleichbehandlung schreibt vor, dass ausländische nicht schlechter als inländische Dienstleistungen und Leistungserbringer behandelt werden dürfen. Das bedeutet, dass keine Maßnahmen vom Staat gesetzt werden dürfen, welche unmittelbar auf die Herkunft einer Dienstleistung oder eines Dienstleistungserbringers abstellen und die inländischen bevorzugen (direkte Diskriminierung). Das umfasst sämtliche regulative und finanzielle Maßnahmen. Ebenfalls einen Verstoß stellen Subventionen dar, welche nur für Inländer reserviert sind oder nur für den Konsum inländischer Dienstleistungen gewährt werden, aber auch der Ausschluss von ausländischen Unternehmen von der Erbringung einer Dienstleistung. Einen Verstoß bildet weiters, wenn formal neutrale Maßnahmen faktisch ausländische Unternehmen stärker belasten als inländische (indirekte Diskriminierung).

Die Verpflichtung zum Marktzugang verbietet quantitative und qualitative Marktzugangsbeschränkungen wie öffentliche Monopole, ausschließliche Rechte, die privaten Leistungsanbietern gewährt wurden, aber auch Rechtsformerfordernisse. Ein Gesetz, das zum Beispiel die kommunale Wasserversorgung und Abwasserversorgung nur in der Form eines kommunalen Unternehmens, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder GmbH vorsieht und z.B. Aktiengesellschaften ausschließt, könnte dementsprechend als Marktzugangsbeschränkung angesehen werden. Konkret bedeutet dies, dass sich die Marktzugangsverpflichtungen in den Abkommen gegen die traditionellen Instrumente der Erbringung und Regulierung von öffentlichen Dienstleistungen richtet. Sie können nur beibehalten oder neu eingeführt werden, wenn sie von den jeweiligen Ausnahmen erfasst sind. Daher ist es auch von großer Bedeutung, ob ein Abkommen einen Positiv- oder Negativlisten-Ansatz verfolgt. Ein Positivlisten-Ansatz bedeutet, dass nur jene Bereiche liberalisiert werden, welche explizit im Abkommen festgehalten werden. Umgekehrt bedeutet der Negativlisten-Ansatz, dass alle Bereiche liberalisiert werden, sofern sie nicht ausdrücklich im Abkommen ausgenommen werden. Letzter steht unter heftiger Kritik, da er eine Dynamik zu Gunsten weitreichender Liberalisierungsverpflichtungen entfaltet. TTIP wird voraussichtlich einen Negativlisten-Ansatz und TISA einen hybriden Ansatz verfolgen, welcher Elemente beider Ansätze enthält. Ausnahmen für bestehende Maßnahmen nach dem Negativlisten-Ansatz unterliegen häufig einem so genannten Sperrklinkenmechanismus (Ratchet clause), der dafür verantwortlich ist, dass beschränkende Maßnahmen, die beibehalten werden dürfen, nur geändert werden können, wenn die Änderung weniger restriktiv ist. Beispielsweise kann die Vorschreibung, dass die kommunale Wasserversorgung nicht durch Aktiengesellschaften erbracht werden kann zwar aufgehoben werden, weil dies weniger restriktiv ist, jedoch nicht neuerlich wieder eingeführt werden.

Es besteht auch die Möglichkeit allgemeine Ausnahmen für öffentliche Dienstleistungen in den Abkommen vorzunehmen oder diese sektorspezifisch zu vereinbaren. So wurde in CETA beispielsweise die Ausnahme der Wasserversorgung von den Verpflichtungen der Inländergleichbehandlung und des Marktzugangs verankert. Eine ähnliche Formulierung findet sich bereits in den Verhandlungsvorschlägen der Europäischen Union zu TTIP, was jedoch noch nicht gewährleistet, dass diese sich auch im Abkommen wiederfindet.

Wie bereits erwähnt, können ausländische Investoren Verletzungen der Verpflichtung zur Inländergleichbehandlung zum Großteil durch ein Verfahren vor einem Schiedsgericht geltend machen. Das bedeutet nicht – sollten sich die Abkommen an CETA orientieren –, dass es erzwungen werden kann staatliche Maßnahmen aufzuheben, jedoch kann Schadenersatz eingeklagt werden. Drohende Klagen könnten demnach zu einem so genannten „regulatory chill“ führen, bei dem Bedenken hinsichtlich etwaiger Investorenklagen staatliche Maßnahmen im Keim ersticken.

TTIP und TISA können sich in vielfältiger Hinsicht auf die Wasserversorgung auswirken. Eine konkrete Aussage über die tatsächliche Auswirkung kann erst bei Bekanntwerden des Vertragstextes getätigt werden. Bereits im Vorhinein sollte jedoch, um die Regulierungsmöglichkeiten abzusichern, dafür Sorge getragen werden, dass Ausnahmen für sämtliche öffentlichen Dienstleistungen von allen Verpflichtungen des Grundsatzes des Marktzugangs und der Inländergleichbehandlung erfolgen. Darüber hinaus sollten die EU und deren Mitgliedstaaten diesbezügliche sektorspezifische Ausnahmen – für die Wasserversorgung aber auch andere Sektoren wie Bildung, Gesundheit und Soziales – für bestehende und zukünftige Maßnahmen ins Abkommen einfügen.