Der Österreichische Städtebund warnte heute eindringlich vor einer Neuregelung, Personenverkehrsdienstleistungen künftig verpflichtend auszuschreiben, wie dies von einzelnen ÖVP-Ministern gefordert wurde. „Damit wird direkt in die Autonomie der Städte eingegriffen, denn nicht nur die ÖBB wären von der verpflichtenden Ausschreibung betroffen, sondern alle Regionalbahnen und städtischen Verkehrsbetriebe“, sagte Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes.
Derzeit dürfen Städte selbst entscheiden, ob sie die Leistungen der öffentlichen Verkehrsdienste EU-weit ausschreiben und wettbewerblich vergeben, oder damit ein eigenes städtisches Unternehmen beauftragen (In-House-Vergabe) – vergleichbar einer Dienststelle im Magistrat. Derzeit praktizieren das alle großen österreichischen Städte so. „Die eigenen Verkehrsunternehmen der Städte sind heute dem öffentlichen Interesse verpflichtet – nicht der Gewinnmaximierung. Mit unseren städtischen Verkehrsunternehmen sind wir als Städte in der Lage langfristige wirtschaftliche Ziele zu verfolgen. Und das ist gut so.“ Erklärt Heidrun Maier-de Kruijff, Geschäftsführerin des Verbandes der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG).
Wenn Öffi-Leistungen im Wettbewerb vergeben werden, dürfen Investitionen gemäß Europarecht nur 10 bis – im Ausnahmefall 22,5 Jahre – steuerlich abgeschrieben werden. Wenn die Städte Straßenbahnen oder U-Bahnen bauen und die Züge dafür anschaffen gelten aber Abschreibungszeiträumen zwischen 20 teilweise sogar über 50 Jahre. „Das geht sich für einen gewinnorientierten Anbieter nicht aus.“ erklärt Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger.
Öffentliches Interesse wichtiger als unternehmerischer Gewinn
Maier-de Kruijff betont einen weiteren Aspekt: „Man kann von einem kommerziell tätigen Verkehrsunternehmen nicht erwarten, dass es über den Zeitraum seines Vertrags hinaus öffentliche Interessen verfolgt. Aber gerade diese Verlässlichkeit auf der einen und Flexibilität auf der anderen Seite brauchen wir Städte, wenn wir langfristige Stadtentwicklungs- und Verkehrsstrategien verfolgen wollen.“
Die Städte können nämlich auf ungeplante Entwicklungen mit ihren eigenen Unternehmen flexibler reagieren, als ihnen dies auf der Grundlage im Wettbewerb geschlossener, formaler öffentlicher Dienstleistungsaufträge möglich wäre.
Und Weninger nennt noch einen weiteren Vorteil der Direktvergabe: „Gegenüber Wettbewerb hat die Direktvergabe den eindeutigen Vorzug, dass das städtische Unternehmen eine langfristige Bindung zu den BürgerInnen/KundInnen entwickeln und pflegen kann.“ Auch deren Dauer und Wert übersteigt regelmäßig die Laufzeit von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, ist aber maßgeblich für den Marktanteil des Öffentlichen Verkehrs.
Wenn Verkehrsdienstleistungen ausgeschrieben werden und nach Vertragsende der Betreiber wechselt, kommt es oft zu langfristigen Schwierigkeiten – wer übernimmt dann die Verantwortung? „Für eine Stadt wie Graz oder Wien ist unvorstellbar, wenn ein Verkehrsträger, beispielsweise die U-Bahn oder Straßenbahn ausfällt, weil es Probleme beim Betreiberwechsel aufgrund einer Neuausschreibung gibt“, illustriert Weninger.
Die Folgen der Direktvergabe im Öffentlichen Nahverkehr
Viele kommunale Unternehmen in Österreich sind noch für längere Zeiträume direkt beauftragt und haben zusammen mit ihren Eigentümern im Vertrauen darauf Investitionen getätigt. Kommunale Unternehmen entwickeln derzeit im Auftrag von Kommunen und mit Förderung von EU, Bund und Ländern Infrastruktur. Gegebenenfalls drohen Abbruch der Projekte und Rückforderung von Fördermitteln, im Ergebnis zu Lasten der Kommunen.
Bei einer zwangsweisen Ausschreibung wäre regelrecht eine Zerschlagung der kommunalen Verkehrsunternehmen mit Massenentlassungen zu befürchten. Die Zerschlagung kommunaler Unternehmen wäre im Regelfall wohl mit erheblichen Folgekosten für die SteuerzahlerInnen verbunden. Zahlreiche Kommunen müssten zudem befürchten, dass sie den Querverbund nicht mehr zur Finanzierung des ÖPNV verwenden können; dies würde zu einer substanziellen Reduzierung des Budgets für den öffentlichen Verkehr und somit des Verkehrsangebotes führen.
Die Schweiz als Öffi-Europameister
In der Schweiz ist strukturell gut mit Österreich vergleichbar: es gibt eine enge Verzahnung von Stadtplanung, Verkehrsentwicklung und der Tätigkeit des direkt beauftragten kommunalen Verkehrsunternehmens, die nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind, sondern auf bestmögliche Ergebnisse im Sinne eines Public Services. Die im Regionalverkehr punktuell durchgeführten Ausschreibungen haben keine nachhaltige Verbesserung bei Angebot und Wirtschaftlichkeit bewirkt.
„Für die Öffi-KundInnen würde das Verbot der Direktvergabe im ÖPNV keinerlei Vorteile bringen“, sagte Städtebund-Weninger. „Städte beweisen tagtäglich, dass sie am besten und nachhaltigsten im öffentlichen Interesse agieren – bei der Daseinsvorsorge wie Müllabfuhr, Wasserentsorgung und Trinkwasser. Auch die Organisation des öffentlichen Verkehrs muss in der Hand der Städte und Gemeinden bleiben“, so Weninger abschließend.
Städte mit Inhouse-Vergabe (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
- Wien: Wiener Linien
- Graz: Graz Linien
- Linz: Linz AG Linien
- Salzburg: Salzburg AG
- Innsbruck: Innsbrucker Verkehrsbetriebe und Stubaital GmbH
- Bregenz: Stadtbusverkehr Stadtwerke Bregenz im Eigentum der Stadt Bregenz
- Klagenfurt: Stadtwerke Klagenfurt AG (STW Busse)
- Leoben: Stadtwerke Leoben und Mürztaler Verkehrsgesellschaft (MVG)
- Neustadt – Direktvergabe Inhouse
- Kapfenberg – eigenes städtisches Unternehmen
- Ybbs am der Donau: eigenes städtisches Unternehmen
- Steyr: eigenes Unternehmen (Abteilung des Magistrats der Stadt Steyr)
Mehr unter: www.staedtebund.gv.at
Foto: Petra Dirscherl / pixelio.de