Status Quo der Verhandlungen zur Trinkwasserrichtlinie

Im Rahmen des REFIT-Prozesses der Trinkwasserrahmenrichtlinie 98/83/EG (DWD) wurde am 1.2.2018 ein Legislativvorschlag von der Europäischen Kommission (EK) eingereicht. Nun, da die Abstimmungen im Ausschuss und im Plenum des Europäischen Parlaments vollzogen sind und der österreichische Ratsvorsitz zu Ende ist, wollen wir Ihnen im nachfolgenden Infosheet einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand der Verhandlungen zur Trinkwasserrichtlinie liefern.

Wie bereits im März berichtet, erweitert der Legislativvorschlag der Kommission den Anwendungsbereich erheblich und legt neben dem Fokus der bisherigen Richtlinie – Anforderungen an die Trinkwasserqualität und ihrer Überwachung zu stellen – zusätzliche Anforderungen an betriebliche, wirtschaftliche und organisatorische Aspekte der Wasserversorgung fest. Außerdem wurde der schon lange bestehenden Forderung nach Verknüpfungen der Richtlinie mit anderen EU-Richtlinien, wie etwa der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EC) und ihrer Tochterdirektiven, nachgegangen. Nachdem während des österreichischen Ratsvorsitzes keine Einigung erzielt werden konnte, hat nun die rumänische Ratspräsidentschaft das Dossier zur Priorität erklärt und verkündet, dass sie versuchen werden, noch vor den Wahlen, die von 23.-26. Mai 2019 stattfinden werden, zu einem Abschluss zu kommen.

Im Anschluss finden Sie eine kurze Zusammenfassung der relevantesten Änderungen im nunmehr erschienenen Bericht des Europäischen Parlaments:

  • Die Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“ sollen teilweise berücksichtigt werden. Wasser muss sauber, bezahlbar und jedem zugänglich sein. Diesbezüglich wurden in den Recitals etliche Passagen hinzugefügt und Artikel 1 sowie Artikel 13 dementsprechend erweitert, um den Zugang zu Wasser für den menschlichen Gebrauch allen Bevölkerungsgruppen in der Europäischen Union zu garantieren. Es wird jedoch betont, dass die Verhältnismäßigkeit gegeben sein muss.
  • Bezüglich der Risikobewertung der Wasserversorgung soll laut Stand des Parlaments der von der Kommission in Artikel 7 vorgeschlagene Rahmen von drei Jahren für große Wasserversorgungsunternehmen auf sechs Jahre ausgeweitet werden. Dieses Intervall der Risikobewertung soll in diesem Fall jedoch alle Versorgungsunternehmen, unabhängig von ihrer Größe, betreffen.
  • Die Verpflichtung zu Präventions- und Minderungsmaßnahmen sollen, laut Parlament, nicht mehr den Mitgliedstaaten, beziehungsweise den Wasserversorgungsunternehmen selbiger, unterliegen, sondern sollen gemäß dem Verursacherprinzip direkt den Verschmutzenden zugeschrieben werden.
  • Die überarbeiteten Probenahmefrequenzen und Größeneinteilung der Wasserversorgungsunternehmen (WVU) wurden als nicht zielführend und zu kostenintensiv erkannt. Dementsprechend wurde die Größeneinteilung um die Abstufungen „sehr klein“ und „mittel“ erweitert, sowie die Probenahmefrequenzen wieder annähernd auf das alte Niveau reduziert.
  • Der Empfehlung der WHO hinsichtlich eines wissenschaftlichen Ansatzes bei Schlüsselparametern sowie Indikatorparametern wurde teilweise nachgegangen. Substanzen wie Mikroplastik, Endokrine Disruptoren (EDS) und per- & polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sollten zwar beobachtet, aber nicht als Parameter verstanden werden. Seitens des Rates wird derzeit erwartet, dass PFAS allgemein zu PFOS und PFOA abgeändert wird – innerhalb der österreichischen Ratspräsidentschaft konnte jedoch keine Einigung erzielt werden.
  • Materialien in Kontakt mit Trinkwasser müssen in einer separaten Richtlinie geklärt werden, es wurden jedoch Mindesthygieneanforderungen festgelegt. Langfristig muss es jedoch zu einer Harmonisierung kommen. Der von der Kommission geforderte Paradigmenwechsel bei der Nichteinhaltung von Parametern in Hausinstallationen legte die Verantwortung klar in die Hände der Wasserversorgungsunternehmungen. In Reaktion darauf wurde auch der Parlamentsentwurf so gestaltet, sodass nunmehr der Hauseigentümer die Verantwortung zu tragen hat, für die nötige Compliance bei Hausinstallationen zu sorgen – das Wasserversorgungsunternehmen sollte hierbei beratend zur Seite stehen.
  • Die von der EK geforderten Informationsverpflichtungen sind zu ausführlich, verwirren und verunsichern dadurch den Konsumenten. Es wird gefordert, dass die Informationen auf ein durchschaubares, didaktisch sinnvolles Maß gebracht werden. Der Zugang zu genannten Informationen sollte sowohl auf der Rechnung als auch online möglich sein. Transparenz wird allgemein als wichtig angesehen.
  • Lokale Umstände und Strukturen sollten, gerade bei der Wasserversorgung, eine übergeordnete Rolle spielen. Dementsprechend ist das Subsidiaritätsprinzip zu wahren. Vor allem hinsichtlich Ausnahmen, der Verantwortung und der Zuständigkeit sollte die Beurteilung im Ermessen des Mitgliedsstaates liegen. Die Ausnahmeregelungen aus Art. 12 der derzeit gültigen Richtlinie wurden im Parlamentsentwurf wieder aufgenommen.
  • Die von der EK geforderte Überführung der Indikatorparameter in Annex I Teil A stellt in Kombination mit den geforderten Maßnahmen (und der daraus folgenden automatischen Einstufung als Gefahr für die menschliche Gesundheit) drastisches Potential zur Verunsicherung der Bevölkerung dar. Dementsprechend wurde die Indikatorparameterliste wiedereingeführt und festgelegt, dass die Gegebenheit einer potentiellen Gefährdung der menschlichen Gesundheit erst zu überprüfen ist, bevor die Bevölkerung informiert wird, um so dem Vertrauen der Bevölkerung in ihren Wasserversorger nicht entgegenzuwirken.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass den durch die Kooperative zwischen ÖVGW, VÖWG und AK entstandenen Änderungsvorschlägen zu weiten Teilen Gehör geschenkt wurde. Die finale Version des Berichts des Europäischen Parlaments ist im Legislativobservatorium der EU zu finden.

Dort stehen auch die komplette Fassung des Richtlinienvorschlags mitsamt Erläuterungen der EU-Kommission in allen EU-Sprachen zum Download sowie die wichtigsten Dokumente wie Berichtsentwurf und Änderungsvorschläge des ENVI-Komitees zur Verfügung.