Der VÖWG hat zum Vorschlag für eine neue EU-Richtlinie über öffentliche Auftragsvergaben Stellung bezogen. Schließlich ist europäisches Vergaberecht von hoher Relevanz für die weitere wirtschaftliche Integration des Kontinents. Der VÖWG begrüßt daher die Absicht der Europäischen Kommission, für mehr Flexibilität und Effizienz im Vergabewesen zu sorgen. Gerade die Beschleunigung öffentlicher Investitionen nach Erhöhung der Schwellenwerte für Direktvergaben hat in der Wirtschaftskrise die Vorzüge schlankerer Vergabebestimmungen aufgezeigt. Allerdings findet der Wunsch nach Vereinfachung im derzeitigen Vorschlag häufig keine Entsprechung.
Die Weiterentwicklung der EU-Vergaberichtlinien sollte auf eine Minimierung der volkswirtschaftlichen Wohlfahrtsverluste durch Sicherstellung eines angemessenen Entscheidungsspielraums für nationale, regionale und lokale Auftraggeber abstellen. „Zentrale Aufsichtsstellen“, die sämtliche Vergabeverfahren evaluieren und überwachen, entsprechen jedoch nicht diesem Ziel. Vielmehr stellt eine solche Vorsehung einen massiven Eingriff in die föderale Verfassung vieler EU-Mitgliedstaaten dar.
Die Kommission weist in ihrem Dokument richtigerweise auf die Vielfalt der Traditionen bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen hin. Dies steht im Einklang mit Art. 4 und 5 des Vertrages über die Europäische Union. Sie schreiben die kommunale und regionale Selbstverwaltung fest und stellen die subsidiäre Aufgabenteilung im europäischen Mehrebenensystem klar. Folglich kann es auch nicht Aufgabe der EU sein, einzelnen Mitgliedsstaaten faktisch vorzuschreiben, auf welche Weise öffentliche Dienstleistungen zu erbringen sind.
Im Lichte dieser Tatsachen erscheint der vorliegende Entwurf befremdlich, als darin wesentliche Aspekte subsidiärer Entscheidungsbefugnis berührt werden. Beispielsweise ist die undifferenzierte Unterwerfung sämtlicher bisher als nicht prioritär definierten Dienstleistungen unter das reguläre Vergaberegime nicht nachvollziehbar. Wird doch das grenzüberschreitende Potenzial der Dienstleistungen selbst in der kommissionseigenen Folgenabschätzung nicht pauschal nachgewiesen. Dies gilt insbesondere für Sozial- und Gesundheitsleistungen.
Ungeachtet der Unzulänglichkeiten des Entwurfs in seiner derzeitigen Form ist zweifellos Potenzial für Wirtschaftswachstum und gesellschaftlichen Fortschritt vorhanden. Etwa bewertet der VÖWG die geplante Option einer freiwilligen Berücksichtigung vergabefremder Kriterien positiv. Diese gibt öffentlichen Auftraggebern ein flexibles Instrument in die Hand, um weithin anerkannte Sozialstandards zu unterstreichen und Ökodumping auf Kosten nachfolgender Generationen zu vermeiden. Auch ist die Möglichkeit „gemeinsamer Beschaffungsstellen“ und „elektronischer Auftragsvergabe“ als ein wirklicher Fortschritt anzusehen.